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Paniker:innen sind ideale Frugalist:innen…

Ich weiß heute nicht ganz, wie ich das strukturell am besten angehe. Ich glaube ich fange beim “…Mit ein bisschen Glück”, dem Untertitel, an.

Ich hab es ja schon mal angesprochen, dass psychische Krankheiten oft mit Armut (für deutsche Verhältnisse) zusammen gehen. Weil man einfach oft nicht in “gängigen” Jobs arbeiten kann, die normal bezahlt werden. Oder, wenn es geht, ist man vielleicht weniger belastbar, kann nur wenige Stunden arbeiten oder wird irgendwann rauskomplimentiert, weil man zu viele Ausfälle hat. Ich weiß also, dass das, was ich jetzt beschreiben werde, lange nicht für jede:n gilt. Und ich hoffe, niemand fühlt sich verarscht von dem, was ich hier formulier. Ich weiß, dass es in gewisser Weise auch einfach Glück ist, wenn man genug Geld zum Ok-Leben hat.

Nach diesem Disclaimer, Thema der heutigen Stunde: Frugalismus. Ich glaub, das ist ein relativ unbekanntes Konzept und die, die es kennen, haben eher so weirde Hippies vor Augen. Naja, klar, wenn man eine Doku zu dem Thema macht, sind die extremen Leute spannender und dann zeigt man eher den Typen, der sich nicht mal Schuhe kauft, weil man barfuß ja eh viel mehr mit der Erde verbunden ist, und der sich eine Hütte im Wald gebaut hat und nur von selbst Angebautem lebt.

So, jetzt erst mal auch denen, die den Begriff nicht kennen, ein Extrem-Bild in den Kopf gesetzt. Perfekt.

Frugalisten sind Menschen, die -bewusst- einen geringen Lebensstandard haben, was Konsum angeht. Das “offizielle” Ziel ist es, schon früh, also mit 40 oder 50 Jahren, aber zumindest weit vor regulärem Rentenalter (das wird bei uns ja vermutlich so 73 Jahre sein) finanzielle Freiheit zu erlangen, das heißt, nicht mehr arbeiten zu MÜSSEN. Betonung auf müssen – also die Wahl zu haben, es zu tun. “Inoffiziell” geht es einfach um Glücklichsein und dabei hilft TunKönnenWasManWill halt enorm.

Und das ist das alles gar nicht so extrem, wie es scheint. Die meisten Frugalisten verbieten sich nichts. Sie verzichten nicht auf ein gutes, glückliches Leben, nur um möglichst früh nicht mehr arbeiten zu müssen (und sie sind auch nicht faul). Frugalisten entscheiden sich im Prinzip nur bewusster fürs Sparen und sind damit eigentlich die deutschesten Deutschen, die es gibt – auch wenn das Konzept ursprünglich aus den USA kommt (der vermutlich berühmteste Frugalist bzw der, der das Konzept “groß” gemacht hat, ist Mr. Money Mustache).

Und wenn man mal drüber nachdenkt: Es ist ja eigentlich zumindest kurios, dass wir gar nicht hinterfragen, warum wir nach einer Zeit des knappen Geldes (meist irgendeine Art von Ausbildung), automatisch unseren Lebensstandard hochschrauben, wenn wir mehr Geld verdienen. Irgendwie gehen wir einfach davon aus, dass wir in Ausbildung/Studium VERZICHTET haben und wir jetzt aber richtig leben wollen.

Beispiel Wohnsituation. Viele neigen dazu, sobald es finanziell möglich ist, sich wohnraummäßig zu vergrößern bis hin zum Haus, wenn man Familie hat. Und irgendwie nimmt man automatisch an, dass mehr Platz auch glücklicher macht. Für manche oder viele, kein Plan, ist das sicher auch so. Aber man bezahlt eben nicht nur mit höheren regelmäßigen Ausgaben dafür, sondern auch mit Lebenszeit. Denn falls man Wert auf Ordnung und/oder Sauberkeit legt, muss man halt mehr Zeit aufwenden, um’s sauber zu halten. Wo mehr ist, kann auch mehr kaputt gehen und muss repariert werden. Wenn man daran Spaß hat, dann ist das wiederum keine Ausgabe sondern eine Einzahlung auf frohmachend genutzte Lebenszeit, klar.

Und wer jetzt berechtigterweise einwirft, dass ich ja auch in einem Haus mit VIEL zu viel Platz für mich wohne – korrekt. Allerdings in meinem Fall ist es die finanziell günstigste Wohnsituation, die es für mich gibt. Plus mich macht weniger das Haus glücklich, sondern vielmehr das Grundstück mit allem was da kreucht und fleucht drumherum. Das krieg ich ja nun mal nicht ohne Haus. (Und ich putz ja fast nie, also habe ich keinen Mehraufwand was Zeit angeht. Außer ich krieg Besuch.)

Naja, aber egal auf welchen Lebensbereich man das anwendet, insgesamt gilt: Es geht nicht um Verzicht, der weh tut. Man schränkt sich nicht ein und leidet drunter, nur damit man später nicht mehr arbeiten muss. Sondern es geht einfach darum, sich bewusst zu fragen, was man eigentlich wirklich braucht und wo man nur irgendwie das Gefühl hat, das macht man ja so und das macht ja alle anderen auch glücklich oder “whole”. Bzw. in welchen Bereichen man noch nie drüber nachgedacht hat sondern einfach macht.

Wenn man zum Beispiel eh lieber mit dem Fahrrad überall hin fährt, weil man das für gesünder für sich hält, weil man dann den Kopf frei bekommt, weil man persönlich damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten will, kann man sich zusätzlich aus finanziellen Gründen gegen ein eigenes Auto entscheiden. Dann ist man bereits im Grundmindset eines:er Frugalist:in.

Wenn man keinen Wert darauf legt, viel auswärts zu essen, weil man dann nicht weiß, was drin ist, weil man sich das Mittagessen lieber mit zur Arbeit bringt, anstatt in der Kantine zu essen, weil man Spaß hat am (geselligen) Kochen und eben außerdem, weil es auf Dauer viel Geld spart – Frugalist:in-Anfänge.

Wenn man die letzten 10 Jahre und auch die nächsten 40 Jahre nicht in den Urlaub fährt, egal ob nah oder fern, weil man das durch die Panikattacken nicht kann, das aber gar nicht vermisst, sondern statt dessen anfängt, das dort nicht ausgegebene Geld zu sparen statt anderweitig auszugeben: Teilzeit-Frugalistin.

Schon ein langer Text und jetzt kommt eigentlich erst der Panik-Spin: Angststörungen gehen super oft mit Einschränkungen einher. Man nimmt in vielen Bereichen nicht so richtig am öffentlichen Konsumleben teil. Bei mir ist das eben z.B. Essen gehen, in den Urlaub fahren, auf Festivals gehen, generell alle Veranstaltungen, die nicht in meiner eigenen Stadt sind. Kino nur, wenn ich mich wirklich gut fühle. Ich geh nicht nur mal bummeln und kauf dann Klamotten, einfach weil ich sie grad schön finde.

Gleichzeitig hab ich natürlich keine “normalen” Einnahmen, das heißt, ich hab nicht das gleiche Geld zum Ausgeben wie andere meines Bildungsstandes. Und außerdem hab ich mich dafür an viel mehr Online-Geldausgeben gewöhnt (Shoutout an Steam, bei denen ich alleine 56 gekaufte Spiele liegen habe). Aber seit ich mich mit meinen Finanzen näher beschäftige und speziell mit dem Plan oder dem Wunsch, meinen Lebensabend mit so wenig Armut wie möglich zu gestalten, sind natürlich die Online-Ausgaben das erste, was man simpel streichen kann – erst mal die 56 Spiele alle durchzocken, bevor ich ein Neues kaufe. Und so ist mir aufgefallen, dass es ja irgendwie auch ein “Glück” ist, dass ich nie in diesen selbstverständlichen Konsum als Ausdruck von zufriedenem Lebenswandel reingeraten bin.

Was ich sagen will: Wenn man ja eh schon auf Krams verzichten muss, weil die Psyche es einem schwer macht, dann kann man dem Ganzen ja auch einen anderen Dreh geben. Dann kann man vielleicht manchmal sagen “Geil, das Geld wird gespart, das Geld wird investiert*, dann hab ich später was davon und es hat irgendwo auch sein Gutes, dass ich das jetzt nicht ausgebe” statt sich dauernd selbst Vorwürfe zu machen, dass man an diesem “normalen” Leben nicht richtig Teil haben kann. Und wenn es nur ist, dass man sich nur noch halb so viel Sorgen im Alter machen muss, weil man im Jetzt keiner Arbeit nachgehen kann, die auch nur annähernd genug Rentenansprüche generieren würde, damit man über die Runden kommt (wenn es sowas unter den mittelgut bezahlten Jobs denn überhaupt gibt aktuell).

Dies war also ein weiteres Kapitel im Bereich Reframing von Folgen deiner Angststörung. Ist alles ein bisschen idealistisch und wenn man unter was leidet, nervt es, wenn eine:r kommt und sagt “Aber sieh es doch mal positiv!”. Voll. Aber manchmal komm ich selber einfach gar nicht auf ne neue Sichtweise, bis sie mir jemand anderes unter die Nase hält, darum mach ich das genauso (also unter die Nase halten).

*jahaaa, ich bin immer noch dran am Off Topic-Artikel über simples Anlegen statt Geld verschimmeln lassen

Tiffi

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